Wie entsteht Kunstschnee?

19. März 2024 - SnowTrex

Wintersportler erwarten im Skiurlaub bestens präparierte Pisten mit dicken Schneedecken. Um das auch bei wenig Schneefall zu gewährleisten, gibt es ein probates Mittel: die Erzeugung von sogenanntem „technischen Schnee“ oder Kunstschnee. SnowTrex zeigt, wie der ganze Prozess funktioniert und welche Vor- und Nachteile er mit sich bringt.

Eine Schneekanone bei der Kunstschnee-Produktion.


Erfindung des Kunstschnees

Das Grundprinzip der Beschneiungsanlagen wurde Ende der 1940er-Jahre aus Zufall entdeckt: Ein amerikanischer Forscher sprühte bei niedrigen Temperaturen Wasser in einen Windkanal, um die Vereisung von Düsentriebwerken zu untersuchen. Dadurch erzeugte er unerwartet Schnee. Seitdem wird dieses effektive Prinzip zur Schnee-Erzeugung erfolgreich im Wintertourismus eingesetzt.

Die Zufallsentdeckung eines US-Forschers in den 1940er-Jahren ist heute elementar für den Betrieb unzähliger Skigebiete.

Bestandteile von Kunstschnee

Die Grundlage für Kunstschnee ist Wasser. Das für die Produktion benötigte Wasser kommt meist aus Schmelzwasserbächen oder künstlich angelegten Stauseen aus der Umgebung. Um den steigenden Bedarf an künstlich erzeugtem Schnee zu decken, werden nahe der Pisten immer mehr dieser Stauseen und Speicherteiche erbaut.

Um die Energieeffizienz der technischen Schnee-Erzeugung zu optimieren, wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Methoden erfunden, das Wasser vor der Kunstschneeproduktion „aufzubereiten“. Das US-Unternehmen Snomax beispielsweise hat ein Verfahren entwickelt, bei dem in das Wasser Bakterienproteine beigemischt werden, die das schnellere Gefrieren der Wassertropfen unterstützt. Durch diese Kristallisationskeime kann Wasser sogar bei Plusgraden gefrieren.

Da die Methode stark umstritten ist, darf sie nicht in allen Skigebieten eingesetzt werden oder ist vielerorts nur eingeschränkt erlaubt. So betont der Deutsche Skiverband (DSV) beispielsweise, dass chemische Mittel lediglich auf Skirennstrecken Verwendung finden dürfen, um konstante Wettkampfbedingungen zu schaffen. Grundsätzlich sind aber keine Chemikalien für die Erzeugung von Kunstschnee nötig.

Herstellung von Kunstschnee: Schneekanone, Schneelanze & künstliche Wolke

Die technischen Verfahren zur Erzeugung von Kunstschnee ahmen die natürliche Entstehung von Schnee nach. Hierbei gefrieren kleine Wassertropfen und verwandeln sich in Schneekristalle. Im Skigebiet kommen zur Erzeugung von Kunstschnee sowohl Schneekanonen als auch Schneelanzen zum Einsatz. Welche verschiedenen Beschneiungsanlagen aktuell in Skigebieten installiert werden, zeigt SnowTrex hier:

Kunstschnee aus der Schneekanone

In den meisten Fällen wird die sogenannte Propellerkanone zur Erzeugung von Kunstschnee verwendet. Das Kernelement bei dieser Maschine ist ein großer Propeller, der mit Wasser und Strom versorgt wird und einen starken Luftstrom erzeugt. Durch Düsen wird das Wasser vor den Propeller gesprüht und von dem verdichteten Luftstrom an die kalte, trockene Winterluft transportiert.

Wie das Ganze in einem Skigebiet im Schwarzwald vonstattengeht, zeigt das folgende Video:

So beschneien Schneekanonen den Feldberg

Je nach Witterungsbedingungen kann die Größe der Wassertropfen angepasst werden, damit ein möglichst optimaler Kunstschnee erzeugt wird. Bei einer niedrigen Luftfeuchtigkeit (ca. 30 %) kann dieses Verfahren bereits bei +1 °C angewendet werden, bei 80 % Luftfeuchte sind unter -4 °C erforderlich. Heißt im Umkehrschluss: Je höher die Luftfeuchtigkeit ist, desto niedriger müssen die Außentemperaturen sein.

Kunstschnee aus der Schneelanze

Eine weitere Methode zur Schnee-Erzeugung sind Schneelanzen. Diese, wie dünne Laternenmasten aussehenden Geräte sind fest am Pistenrand installiert. Sie blasen zerstäubtes Wasser zusammen mit gepresster Luft aus, wodurch ein feiner Schneestaub erzeugt wird, der dann auf die Piste rieselt.

Neben Schneekanonen in ihrer traditionellen, etwas klobigen Form erzeugen auch schmale, laternenähnliche Schneelanzen hochwertigen Kunstschnee.

Kunstschnee aus künstlichen Wolken

Eine ganz neue Technologie ist das Erzeugen von Neuschnee aus künstlichen Wolken, welche von einem Wissenschaftler-Team um den Ingenieur Michael Bacher entwickelt wurde. Seit November 2014 läuft der Test einer künstlichen Wolke, die als Freiluftlabor im Skigebiet Obergurgl-Hochgurgl installiert ist. Die gesamte Anlage ist dreieinhalb Meter hoch. Sie besteht aus einem Ballon mit einem Durchmesser von zweieinhalb Metern, der wiederum zentrales Element eine Konstruktion ist, die aus einem Stativ aus Stahlträgern steht.

Das Herzstück der Konstruktion ist eine Wolkenkammer, die es ermöglicht, Wassertropfen und Eiskeime miteinander zu vermischen. Dazu werden die Wassertropfen eingesprüht und so eine kleine, künstliche Wolke erzeugt. Durch die tiefe Umgebungstemperatur (unter dem Gefrierpunkt) kühlen die Tröpfchen ab, ohne dabei selbst zu gefrieren. In diesen Nebel werden Kristallisationskeime eingebracht, sozusagen kleine gefrorene Eisplättchen. Diese Keime wachsen zu größeren Kristallen und fallen schließlich als Schnee aus dem Wolkenbehälter heraus. Der Prozess ahmt den Vorgang in einer echten Wolke nach, das Resultat sind entsprechend echte Schneekristalle. Die Technologie ist so einfach wie genial.

Und wie sie genau funktioniert, erklärt ihr Erfinder in diesem Clip:

"Künstliche Schneewolke" in Obergurgl-Hochgurgl

Kunstschnee und sein Einfluss auf die Umwelt

Immer wieder wird darüber diskutiert, ob Kunstschnee der Natur schadet oder nicht. Mit der größte Kritikpunkt ist der hohe Energie- und Wasserverbrauch in der Kunstschneeproduktion, der langfristig gesehen die Umwelt belastet.

Künstlich erzeugter Schnee weist zudem eine andere Form als Naturschnee auf, was sich negativ auf das Ökosystem am Berg auswirken kann. Die Flocken, die natürlicherweise vom Himmel fallen, haben eine sechseckige kristalline Form. Die gefrorenen, künstlich erzeugten Wassertropfen hingegen besitzen eine runde Form. Dadurch haben diese „Flocken“ eine höhere Dichte und schmelzen langsamer. Das verlangsamte Abtauen des Kunstschnees bringt eine Verzögerung des Pflanzenwachstums mit sich. Das kann den unter der Schneedecke liegenden Pflanzen schaden, wenn sie im Frühjahr noch mit dem Tauwasser des Kunstschnees zu kämpfen haben. Teilweise wird die Regenerationsphase des Bodens und der Pflanzen so beeinflusst, dass noch im Sommer braune Schneisen am Berg verraten können, wo im Winter eine Kunstschneepiste war.

Im Frühling haben Pflanzen am Berg besonders dort zu kämpfen, wo im Winter noch eine Kunstschneepiste verlief.

Ein weiterer Punkt, der bei der Kunstschneeproduktion deutlich ins Gewicht fällt, ist der Bedarf an Wasser und Strom. So werden in einer Minute über 200 Liter Wasser durch eine einzige Schneekanone geblasen. Um diese Leistung beizubehalten, müssen die Anlagen konstant mit Energie versorgt werden. Experten schätzen, dass für die Beschneiung von einem Hektar (10.000 Quadratmeter) pro Saison etwa 20.000 Kilowattstunden Strom gebraucht werden.

Skigebiete setzen auf Ökostrom und Technik

Nach eigenen Angaben der Seilbahnunternehmen werden seit Anfang der 2020er-Jahre in der Schweiz über 50 Prozent der Pisten künstlich beschneit. In Österreich sind es sogar über 70 Prozent. Laut der Umweltschutzorganisation BUND wurden im Jahr 2015 im Alpenraum bereits 70.000 Hektar mit Kunstschnee präpariert – Tendenz steigend. Bei diesen Zahlen versuchen die Seilbahnbetreiber heute bereits die Größe ihres ökologischen Fußabdrucks im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu reduzieren. Beispiel Österreich: Hier wird der Energiebedarf auf den Bergen mittlerweile zu fast 100 % mit lokalem Ökostrom gedeckt. In der SkiWelt Wilder Kaiser – Brixental wird das gesamte Leben im Skigebiet sogar schon seit über 20 Jahren auf dieser Art und Weise betrieben. Ähnlich sieht es auch in der Schweiz aus, wo der Ökostrom-Anteil für den Pistenbetrieb weiter wächst. Um den Energieverbrauch und damit auch den Bedarf an Kunstschnee zu senken, investierten viele Skigebiete in den Alpen in den vergangenen Jahren zudem in weitere, neue Technologien.

In Ischgl etwa, können der Pistenchef und seine Mitarbeiter über ein GPS-gestütztes System die aktuellen Schneehöhen in Echtzeit messen und so feststellen, wo noch mit Kunstschnee beschneit werden muss und wo nicht. Durch den Einsatz dieser Technik schätzen die Verantwortlichen in der Silvretta Arena, dass sie im Vergleich zu der Zeit, bevor das System eingeführt wurde, mittlerweile knapp 20 Prozent maschinell produzierte Schnee im Jahr einsparen. Insgesamt liegt der Anteil der Kunstschneeproduktion zusammen mit dem Betrieb der Seilbahnen im Rahmen des gesamten Energiebedarfs im Bereich Skitourismus bei 4 %. Zum Vergleich: Die An- und Abreise der Gäste schlägt hier mit 38 % zu Buche.

Vorteile von Kunstschnee

Trotz der Kritik hat technisch erzeugter Schnee auch einige Vorteile: Zum einen ist seine Beschaffenheit nahezu immer gleich und damit für Skifahrer „berechenbarer“. Naturschnee hingegen kann je nach Wassergehalt in seiner Form von sehr pulvrig bis außerordentlich pappig reichen.

Ansonsten taut Kunstschnee im Vergleich zu Naturschnee deutlich langsamer und bietet Wintersportlern somit ein längeres Pistenvergnügen. Das liegt daran, dass Kunstschnee einen höheren Wasseranteil besitzt als Naturschnee: Während ein Kubikmeter Naturschnee bis zu 400 kg schwer sein kann, wiegt dieselbe Menge Kunstschnee bis zu 800 kg. Durch die komprimierte Form der Schneekörner wird der Tauprozess verlangsamt. Wenn Skifahrer und Snowboarder also im Sommer auf den Hängen noch weiße Schneestreifen sehen, dann handelt es sich dabei höchstwahrscheinlich um Kunstschnee.

Schneekanonen müssen nicht mehr fest im Skigebiet installiert werden. Auf Gestellen montiert, können die Anlagen mittlerweile auch je nach Bedarf transportiert werden.

Günther Aigner, seines Zeichens renommierter Zukunftsforscher auf dem Gebiet des alpinen Skitourismus, erklärt noch eine weitere positive Eigenschaft des Kunstschnees und des damit verbunden, vergleichsweise hohen Wasserverbrauchs: „Nach der Schneeschmelze kehrt das (zur Kunstschneeproduktion benötigte) Wasser vollständig in den Wasserkreislauf zurück. Es wird weder verbraucht noch verschmutzt und es fehlt weder in der Landwirtschaft noch als Trinkwasser oder in den Flusssystemen.“

Seine Erkenntnisse erklärt Aigner detailliert im folgenden Video:

Skitourismus & technische Beschneiung I: Wassermangel?

Nicht zuletzt bietet Kunstschnee allen Wintersportlern eine gewisse Schneesicherheit. Wenn Frau Holle es einmal nicht so gut in der Saison meinte, dann heißt dies dank Schneekanonen nicht, dass der komplette Aufenthalt in den Bergen ins Wasser fällt. Denn so ist Skifahren nämlich trotzdem noch möglich. Ein sehr großer Vorteil von Kunstschnee!

Lust auf noch mehr Fakten rund um Schnee?

FAQs zu Kunstschnee

Woraus besteht Kunstschnee?

Kunstschnee besteht aus Wasser. Dieses kommt entweder aus Schmelzwasserbächen oder aus künstlich angelegten Stauseen. Die Zugabe von Chemikalien, die das Wasser etwa schon bei Plusgraden gefrieren lassen, ist nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen erlaubt.

Wie wird Kunstschnee hergestellt?

Kunstschnee wird entweder durch eine Schneekanone oder eine Schneelanze erzeugt. Bei beiden Geräten bedarf es eines starken Luftstroms, der das Wasser in die Luft transportiert und es dort zu feinem Schneestaub werden lässt.

Welche Vorteile hat Kunstschnee?

Die Beschaffenheit von Kunstschnee ist immer gleich und somit „berechenbarer“ für Wintersportler. Zudem taut Kunstschnee langsamer als Naturschnee und garantiert damit ein längeres Wintersportvergnügen im Frühling.

Wo wird Kunstschnee eingesetzt?

Kunstschnee wird in so gut wie allen größeren Skigebieten eingesetzt, wenn nicht genügend Naturschnee zur Skisaison fällt.

Ist Kunstschnee problematisch für die Umwelt?

Kritisch wird gerade der hohe Energie- und Wasserverbrauch gesehen, der bei der Produktion entsteht und damit die Umwelt belastet. Zudem kann es durch das langsamere Abschmelzen von Kunstschnee im Vergleich zu Naturschnee zu einer Verzögerung des Pflanzenwachstums kommen.

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